Es gilt als Merkmal einer proletarischen Ausdrucksweise, wird nicht nur in Meidling, sondern auch in anderen Bezirken und sogar außerhalb der Bundeshauptstadt gesprochen und soll jetzt wissenschaftlich erforscht werden: das "Meidlinger L". Es heißt wahrscheinlich nur deshalb so, weil es im Wort "Meidlinger" vorkommt.
Dass zu Zeiten der Monarchie die Wienerberger Ziegelarbeiter die merkwürdige L-Aussprache von Böhmen nach Wien gebracht haben, ist längst widerlegt. Woher der Laut wirklich kommt und was die Wiener davon halten, ist jetzt Gegenstand eines Forschungsprojekts.
Ich wünsche den Projektmitarbeitern rund um die
Sprachwissenschaftlerin Eva Reinisch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eine möglichst große Beteiligung an der Umfrage und verweise daher an dieser Stelle mit Nachdruck auf jenen Link, der in einer Meldung von science.orf at zu finden war:
Wichtige Vorüberlegungen zur Herkunft gibt es bereits. Angesehene Universitätsprofessoren wie Peter Ernst (Germanistik) oder Stefan Michael Newerkla und Hans-Dieter Pohl (beide Slawistik) bekämpfen nämlich seit Jahren dievFalschmeldungen rund um das "Meidlinger L". Sie liefern auch eine Erklärung, wie die merkwürdige Aussprache dieses Konsonanten entstanden sein könnte.
Ausgangspunkt ist unsere dialektale Vokalisierung - aus "weil" wird "wäu". Peter Ernst: "Versucht ein Dialektsprecher hochsprachlich zu reden, restituiert er das fehlende L durch eine andere L-Variante - nicht nur am Wortende, sondern in vielen anderen Fällen auch." Wo das L erhalten bleibt, zum Beispiel in größten Teilen Kärntens oder Tirols, ist dies nicht eingetreten.
Stefan Michael Newerkla: "Natürlich gibt es in vielen Sprachen zwei L-Laute, von denen in bestimmten Varietäten der eine L-Laut an das ,Meidlinger L‘ erinnern kann. Deshalb kann man noch nicht auf eine Übernahme schließen." Auch das Englische hat ein für uns ähnlich klingendes L, und erst recht das Russische: Man denke nur daran, wie Kabarettisten einen Sprecher mit russischem Akzent imitieren. Versuche der Meidlinger SPÖ, ihr angeblich typisches L zum Kulturerbe zu erklären, sind daher zurecht gescheitert.
Wie soll man das sogenannte "Meidlinger L" eigentlich schreiben? Karl Kraus hat in "Die letzten Tage der Menschheit" eine Methode angewandt, die einiges für sich hat. Er setzt vor den Laut L ein D, das nicht ausgesprochen wird, aber der Zunge den richtigen Drall gibt.
Hier als Beispiel die von mir gewählte Verschriftlichung eines Werbespruchs von Hans Krankl, der Satz war lange Zeit im Radio zu hören, das D ist nicht auszusprechen: "Waast wos kan Stau gibt? Bei Spusu. Weu duat sitzt die Annabedlle, und die is richtig schnedll."
Was sind Vorüberlegungen (Vorüber-Legungen)? Oder doch besser die auf den ersten Blick eindeutig erfassbare Schreibweise: Vor-Überlegungen.
"zurecht" (?) gescheitert? Zitat Duden (wie recht er hat): „Häufig falsch geschrieben wird die Wendung zu Recht (= „mit Berechtigung“). Das alte Adverb 'zurecht' existiert heute nur noch als Verbpartikel: sich zurechtfinden, zurechtkommen, zurechtweisen etc.“
(Walter K.)
Auch im aktuellen Falter gibt es den Link dazu!