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Frauen werden im Dialekt anders beschimpft als Männer

Vielleicht sollte ich diesem Beitrag eine Triggerwarnung vorausschicken. Sie wissen schon: Am Beginn von Filmen, Büchern, Postings, Nachrichtenartikeln etc. ist immer öfter dieser Hinweis zu finden, wenn die dargebotenen Inhalte für manche Menschen belastend sein könnten. Auch in der Folge geht es um sensible Themen, die möglicherweise bei bestimmten Personen negative Gefühle auslösen. Also Vorsicht!


Ich beschäftige mich mit der Frage, ob es im Dialekt geschlechtsspezifische Schimpfwörter gibt. Wie werden Frauen beschimpft? Und wie die Männer? Die Unterschiede sind frappierend, es gibt gewisse Muster.


Viele Wörter, mit denen Frauen beschimpft werden, zielen auf ein negatives äußeres Erscheinungsbild ab. Dazu gehören beispielsweise schiacher Uhu, Raskachel (ras = ranzig; Kachel = Fliese, Nachttopf), Rauchfangtauben (nach der Vorstellung, dass manche Tauben in Rauchfängen hausen und schwarz werden) und Schreckschrauben (Frau, die als schrecklich empfunden wird).


Außerdem wird Frauen mit dialektalen Schimpfwörtern oft ein promiskes Sexualverhalten unterstellt, z.B. mit Flitschen oder Flitscherl (zu mittelhochdeutsch vlittern mit der Bedeutung kichern und althochdeutsch flitarezzen mit den Bedeutungen schmeicheln, zärtlich verlocken), Fludern (Nebenform von flattern, vgl. flatterhaftes Wesen), Flugerl (Verkleinerung von Flügel), Schlampen (zum Verb schlampen = unmanierlich essen; obwohl Frauen gemeint sind im Dialekt oft maskulin: der Schlampen), Schledern (zu einem mittelhochdeutschen Wort das Schlamm bedeutet hat) und Zauke (zu mittelhochdeutsch zohe = Hündin).


Die Ausdrücke geben auch Zeugnis von alten Moralvorstellungen, wonach Frauen nicht allein ausgehen sollen und nicht häufig mit verschiedenen Männern sexuellen Kontakt haben dürfen. Von Frauen "aus gutem Hause" wurde bei der Anbahnung sexueller Kontakte zunächst eine hinhaltende und abwehrende Haltung erwartet.


Nach altem Sprachgebrauch galten promiske Frauen als "liederlich" – dieser Ausdruck findet sich sogar noch in den Dialektwörterbüchern der vergangenen Jahrzehnte. Für promiske Männer sind vor allem neutrale oder eher positiv besetzte Ausdrücke gängig, wie beispielsweise Menscherer, Steiger, Schweißer oder Lattenpendler.


Schimpfwörter für Männer sind ganz anderer Natur. Einige zielen auf eine geringe Körpergröße ab, z. B. Abbrochaner, Azwickter, Gstauchter, Gsteaml, andere auf Vergreisung z. B. Tagerer (zu Teig; alter, schwerfälliger Mann), Tapperl (Mann, der tappend geht), Weh (= schwächlicher Mann) oder auf Harn-Inkontinenz wie Gachbrunzer und Schneebrunzer (Männer, die den Harn nicht halten können). Ein Wichser ist eigentlich ein Onanist, aber im übertragenen Sinn ein verachtenswerter Mann, unabhängig von seinem tatsächlichen Sexualverhalten.


Für übelriechende Männer gibt es Wörter wie Stinkowitz, etwas scherzhaft, aber trotzdem bösartig: du stinkerter Präser in der Venediger Au usw. Etwas größer dürfte die Zahl der Ausdrücke für übelriechende Frauen sein, meist sind es Komposita mit Schas: Schasdacken, Schasrodel, Schastrommel.


Generalintendant Gerd Bacher hat Ende der 1960er Jahre die weiblichen Angestellten des ORF als "Trutschen, Pritschen und Menscher" bezeichnet, "die ihre Prüfungen besser im Bett als im Büro machen".


Der Ausdruck "das Mensch, plural die Men(t)scher" war ursprünglich eine nicht abwertende Bezeichnung für Magd, dann ebenfalls nicht abwertend für Mädchen, Tochter. Erst später war damit abweretend eine Frau gemeint, die häufig mit verschiedenen Männern sexuell verkehrt. Bei Ausdrücken für Frauen und Mädchen finden oft derartige Bedeutungsverschlechterungen statt.

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Ich bin einige Male gefragt worden, ob der Wissenschafts-Talk "Schimpfen" im Kabarett Simpl, an dem ich teilnehmen durfte, noch abrufbar ist - der Podcast des ORF, basierend auf der einstündigen Radio-Wien-Sendung, existiert ja nicht mehr. Der Wissenschaftsfonds, der zusammen mit dem ORF als Veranstalter fungierte, hat das Audio nun auf Youtube gestellt.

Nachfolgend der Link zu Youtube: https://youtu.be/P5DV_iQDUYI


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