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AutorenbildRobert Sedlaczek

Warum wir "a Brezn reißen" - die Etymologie einer merkwürdigen Wendung

Neulich war ich mit einem Leihfahrrad in der Wachau unterwegs - die Marillenblüte ist eine touristische Attraktion, die man keinesfalls versäumen darf, wenn man den zahllosen Medienberichten Glauben schenkt. Ich habe also mit der Handy-App ein Fahrrad reserviert - es sind durchwegs Damenfahrräder - und beim ersten Anhalten einen kapitalen Sturz gebaut.


Der Unfallhergang ist rasch erklärt. Ich bin gewohnt, beim Absteigen mit den rechten Fuß über das Hinterrad zu schwingen, auf einem Herrenfahrrad geht das gar nicht anders. Aber die Lenkung dieses Leihfahrrads hatte ein ziemlich großes Spiel, sodass ich beim Anhalten ins Schlingern geriet und mit dem Becken am Asphalt hart aufschlug.


Es muss ein furchtbarer Anblick gewesen sein. "Jetzt hast du eine Brezen gerissen", schoss es mir durch den Kopf, während meine Begleiterin besorgt nachfragte, ob noch alle Knochen ganz sind.


Die Wendung eine Brezen reißen deutet an, dass der Gestürzte auf eine Art und Weise am Boden liegt, sodass Arme und Beine an die Form des Laugengebäcks erinnern.


Brezen, das habe ich für mein "Großes Wörterbuch des Wienerischen" recherchiert, geht auf klosterlateinisch brachitum zurück, ein Gebäck in Form verschlungener Arme, Herkunftswort ist das lateinische brachium (= Arm). Der Hinweis von Peter Wehle, dass früher die Verstorbenen mit verschränkten Armen bestattet wurden, passt übrigens nicht ins Bild. Es geht bei dieser Wendung nicht um Stürze mit Todesfolge.


Aber wie man nach dem Sturz am Boden liegt, scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. Wer einen Stern reißt, liegt sternförmig am Boden - auch diese Wendung kennt man nur in Österreich, nicht in Deutschland. Wenn man sich einer mundartlichen Diktion befleißigt, kann man auch a Bladern, a Bletschen oder a Kipferl reißen. Dramatisch wird es, wenn wer a Barellen oder gar a Bankl reißt: italienisch barella ist die Tragbahre, und mit Bankl ist die Totenbank gemeint.


Über die Herkunft der Wendungen ist viel gerätselt worden. Peter Wehle hat gemeint, dass der Sterbende vor dem Tod noch schnell "eine Bank umreißt" – ein absurder Gedanke.


Natürlich muss es eine Lösung geben, die für alle Redewendungen eine passende Erklärung liefert, es geht also um die Interpretation des Wortes reißen. Mit Blick in das Grimm‘sche Wörterbuch und in andere Nachschlagewerke lichtet sich der Nebel. Reißen ist verwandt mit ritzen, das konnten Runenzeichen sein, später auch eine Zeichnung jeder Art, in den Wörtern Reißbrett, Reißzeug, aber auch Grundriss und Aufriss steckt noch die alte Bedeutung.


Wer also so wie ich das Bild einer skizzenhaft dargestellten Brezen abgibt, der ist auf eine besonders bizarree Weise gestürzt. Die Barella ist mir erspart geblieben, ein riesiger blauer Fleck im Bereich des linken Beckens erinnerte mich allerdings noch immer an die Radtour zu den Wachauer Marillenbäumen.

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