Österreich zählte zusammen mit der Schweiz zu den Geheimfavoriten für den Europameistertitel. Es spricht einiges dafür, nach dem Ausscheiden Österreichs der benachbarten Alpenrepublik die Daumen zu drücken: Zwei kleine Länder, die mit etwas Glück und Geschick die großen Fußballnationen England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland ärgern können.
Hinzu kommt, dass wir auch sprachlich mit den Schweizern einiges gemeinsam haben - und zwar im Bereich des Fußballerjargons. In Wien und in Zürich haben viele Originalausdrücke aus dem Mutterland des Fußballs überlebt - es wurde im Gegensatz zu Deutschland wenig eingedeutscht.
Der Grund ist in der Anfangsphase des Fußballsports zu suchen. Im Jahr 1903 veröffentlichte Konrad Koch, ein Lehrer aus Braunschweig, in der Zeitschrift des "Allgemeinen Deutschen Sprachvereins" eine Liste mit Eindeutschungen: Anstoß statt kick-off, Ecke statt corner, abseits statt offside, Strafstoß statt penalty kick usw.
In Deutschland ist diese sprachregulatorische Initiative äußerst wirksam gewesen, in Österreich ist sie kaum wahrgenommen worden - in der Schweiz auch nicht. Außerdem wäre im damaligen Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn ein von oben verordnetes Eindeutschen nicht gut angekommen. Und die Schweiz ist noch heute eine vielsprachige Nation.
Daher leben die englischen Originalausdrücke nur in Österreich und in der Schweiz weiter: zum Beispiel der Corner (Eckstoß), das Hands (Handspiel), der Goalie (Torwart), der oder das Assist (Torvorlage), der Penalty (Strafstoß), das Out (Aus). Offside ist in der Schweiz und in Österreich gebräuchlich, aber bei den Eidgenossen besonders häufig in Verwendung, das Wort Match ist in den zwei Alpenrepubliken geläufiger als in Deutschland, in Österreich ein Neutrum, in der Schweiz ein Maskulinum. Den Referee (Schiedsrichter) kennt man auch in Deutschland, in Österreich ist von ihm aber öfter in der englischen Originalversion die Rede als in der Eindeutschung, die Schweizer verkürzen ihn häufig zu Ref.
Auf dialektaler Ebene sind in Österreich gemischte Komposita wahre Renner: Eiergoal, Outwachler, Cornerstangl usw. - die englischen Entlehnungen und die regionalen, oft mundartlichen Ausdrücke vertragen sich offensichtlich gut.
Außerdem gibt es in der Schweiz auch waschechte Helvetismen, zum Beispiel tschutten für Fußball spielen. Das Wort ist vom Bedeutungsumfang her vergleichbar mit österreichisch ballestern und den in Deutschland regional anzutreffenden Ausdrücken bolzen, pöhlen (Ruhrgebiet) und bäbbeln (Sachsen). Tschütteler ist eine schweizerische Bezeichnung für (lässiger) Fußballspieler, auch in den Zusammensetzungen Hobbytschütteler, Seniorentschütteler etc.
Die Wortherkunft ist rasch erklärt; tschutten kommt von englisch to shoot; im Anlaut kam es zu einer expressiven Verstärkung, aus sch wurde tsch - statt Tschütteler ist manchmal auch Schütteler zu hören.
Die schweizerischen Ausdrücke Barrage für Relegationsspiel und Rendement für Leistungsfähigkeit sind dem Umstand geschuldet, dass ein Teil des Landes französischsprachig ist. Auch wird in der Schweiz Equipe viel häufiger verwendet als in Deutschland.
Der nächste Termin zum Daumenhalten ist übrigens am kommenden Samstag - dann spielt die Schweiz gegen England.
Quellen und weiterführende Texte: Robert Sedlaczek: Österreichisch fia Fuaßboifäns, Verlag Amalthea, 2016; Variantenwörterbuch des Deutschen, Verlag De Gruyter, 2. Auflage, 2016; "Themenglossar Fußball" auf www.dwds.de (siehe den Beitrag von Anja Pfeiffer und Selina Lang).
"Hands" ist ein "false Anglicism" und wird von den Briten gar nicht verwendet.
Die sagen "handball" dazu.
E. W.