Das Taxi kommt pünktlich, Fahrer begrüßt mich freundlich. Auf dem Armaturenbrett steht "Sie fahren mit Fahrer 161427."
Wohin gehts?
Theater in der Josefstadt. (Er fährt gleich los.)
Was schauen Sie sich an?
Ein Stück von Thomas Bernhard. Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen. Mit Hermann Beil, Claus Peymann und Maria Happel. Das Stück ist großartig. Hab ich schon einmal gesehen, im Akademietheater. Kann man sich öfter anschauen.
Ich kenne es, aber seine Prosatexte gefallen mir besser.
Sie meinen die vier autobiografischen Erzählungen? Sind stellenweise sehr traurig.
Nicht vier, fünf! Die Ursache. Der Atem. Der Keller. Die Kälte. Ein Kind. Am besten gefällt mir Der Atem.
Die Theaterstücke gefallen Ihnen nicht?
Oh ja. Die Jagdgesellschaft ...
Heldenplatz? Der Theatermacher?
Ja eh. Aber die sind nichts gegen Der Atem oder Die Kälte.
Wieso kennen Sie die Werke von Thomas Bernhard so gut?
Er ist im gleichen Jahr geboren wie mein Vater, 1931, und mein Vater war Salzburger.
Die zwei haben sich gekannt?
Vom Sehen her. Salzburg war eine kleine Stadt, ich glaube da hat jeder jeden gekannt. Als mein Vater erfahren hat, dass der Thomas Bernhard nach Grafenhof in die Lungenheilanstalt gekommen ist, hat er zu mir gesagt: "Der Tuberer wirds ned lang dermachen." Grafenhof war wie ein Todesurteil. Mein Vater war überzeugt, dass ein Tuberant dort nicht lebend rauskommt.
Er ist lebend rausgekommen ...
... hat aber sein Leben lang mit der Lunge zu tun ghabt.
Und ist letzlich daran gestorben. Sie sagen einmal Tuberer, einmal Tuberant. Ich verwende Tuberer vor allem mit der Bedeutung starker Husten: "Der hat an Tuberer, die Würmer binden sich schon das Trenzbarterl um."
Mein Vater hat immer Tuberer gesagt. Niemals Tuberant. Ich würde Tuberant sagen. Leider habe ich den Thomas Bernhard nie getroffen. Ich hätte ihn gern einmal ins Café Bräunerhof gefahren.
Wir redeten dann noch über die Ansteckungsgefahr von Tuberkulose, über die heutigen Lungenkrankheiten; zu den Interviews, die die Krista Fleischmann für den ORF gemacht hatte, meinte er: "Die muss in ihn regelrecht verliebt gewesen sein - und ich glaub, sie hat gar nicht bemerkt, dass er sie häkerlt."
Der Taxifahrer 161427 wird mir in guter Erinnerung bleiben. An der Wagentür steht: "Taxi mit Trennwand zum Fahrer." Eigentlich sollte dort stehen: "Wiens einziges Thomas-Bernhard-Taxi."
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Buchpräsentation mit Vortrag: "Das große Wörterbuch des Wienerischen",
Mittwoch, 22. November, 18.30, Siegmund Freud Museum, Berggasse 19.
Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich, Mail-Adresse in obigem Link.
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