Wie ordinär ist Karacho?
- Robert Sedlaczek
- 27. März 2024
- 2 Min. Lesezeit
Manche Übersetzungen sind eine harte Nuß, vor allem dann, wenn ein Ausdruck von einer Kultur in eine andere transportiert werden soll. In diesem Fall geht es um jene Floskel, die der argentinische Präsident Javier Milei verwendet, um seine Reden, seine Internet-Postings, kurzum so gut wie jede politische Äußerung zu beenden: Viva la libertad - carajo.
Der erste Teil ist einfach zu übersetzen: Es lebe die Freiheit! Javier Milei versteht darunter eine ungezügelte freie Marktwirtschaft, er lehnt staatliche Eingriffe jeder Art ab. Er ist "gegen bürokratisch diktierte Ökonomien", bekommt für derartige Aussagen auch Applaus von rechtskonservativen Medien Europas, wie beispielsweise von der Schweizer "Wochenpresse" - so geschehen anlässlich eines Auftritts in Davos.
Spanisch carajo (gesprochen karacho) ist eigentlich ein derber Fluch, vergleichbar mit Donnerwetter! Im wörtlichen Sinn bedeutet das Wort Penis - ideal für einen rechtspopulistischen Politiker, die Machos unter seinen Wählern freuen sich wohl über die Doppeldeutigkeit.
Aber so recht will Es lebe die Freiheit und Donnerwetter nicht zusammenpassen.
Ich befrage meinen alten Journalistenkollegen Erhard Stackl, er ist Lateinamerika-Experte, hat bei "Profil" und beim "Standard" gearbeitet, war auch in Argentinien als Korrespondent und Reporter unterwegs: „Carajo! am Ende eines Ausrufs ist eine deftige Bekräftigung des vorher Gesagten. Man kann den Milei-Spruch mit Es lebe die Freiheit, scheiß drauf! übersetzen. Das klingt allerdings für uns befremdlich. Am ehesten vergleichbar wäre: Es lebe die Freiheit, verdammt noch Mal!"
Erhard Stackl wies mich auch darauf hin, dass sich lange vor der deftigen Bekräftigung Mileis eine ecuadorianische Guerillagruppe Alfaro Vive Carajo! nannte - in Erinnerung an ihr längst verstorbenes Vorbild Präsident José Alfaro, der für sie, verdammt noch mal, auch nach dem Tod weiterlebt.
Carajo ist in vielen Ländern Lateinamerikas ein Tabuwort, es wird oft euphemistisch, also verhüllend durch Caramba ersetzt. So gesehen hat der Refrain in einem Schlager des Sängers Heino eine Berechtigung: "Caramba Caracho, ein Whisky." Der Protagonist hat von seinem Mädchen den Laufpass bekommen, er bestellt sich an der Theke Hochprozentiges - mit dem sinngemäßen Kommentar Scheiß drauf! So hat es Javier Milei natürlich nicht gemeint. Er scheißt nicht auf die freie Marktwirtschaft, er hält sie hoch.
Im Deutschen kennen wir Karacho weder als Bekräftigung noch als Fluch. Die Wendung mit Karacho bedeutet mit hohem Tempo. Wie es zu dieser Bedeutungsveränderung kam? Darüber darf spekuliert werden.
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