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Braucht Österreich eine neue Buchstabiertafel? Ein Germanist aus Graz hat eine Diskussion entfacht 

  • Autorenbild: Robert Sedlaczek
    Robert Sedlaczek
  • vor 9 Stunden
  • 2 Min. Lesezeit

Wer einen Namen oder eine Mailadresse am Telefon oder bei einem Diktat buchstabiert, hat sich bisher an einer Buchstabiertafel orientiert, die lange Zeit sogar ÖNORM war: Anton, Berta, Cäsar, Dora, Emil, Friedrich und so weiter.

 

Das soll nun anders werden: Rudolf Muhr, ein emeritierter Assistenzprofessor der Universität Graz, will ein neues System durchsetzen. Er hat im Rahmen seiner vielfältigen und durchaus sympathischen Initiativen zur Erhaltung des österreichischen Deutsch eine "Österreichische Sprachnormenkommission" zusammengestellt. Diese plädiert nun für einen österreichischen Neuanfang. Den bisherigen Wörtern, die in jeder Auflage des "Österreichischen Wörterbuchs" (ÖWB) mit der Überschrift "Buchstabieralphabet" abgedruckt wurden, soll es an den Kragen gehen.


Buchstabieralphabet "Österreichisches Wörterbuch", hier Auszug aus der 41. Auflage
Buchstabieralphabet "Österreichisches Wörterbuch", hier Auszug aus der 41. Auflage

Die Änderungen wären gravierend. Ein Beispiel: Die korrekte Buchstabierung meines Namens nach bisherigem Muster, also nach dem ÖWB-Buchstabieralphabet, lautet:


Siegfried, Emil, Dora, Ludwig, Anton, Cäsar, Zürich, Emil, Konrad.


Würde ich mich nach Rudolf Muhrs neuer Tafel orientieren, klänge mein buchstabierter Name so:


Sarah, Emma, David, Leo, Anna, Cäsar, Zita, Emma, Karin.


Nur Cäsar hat überlebt, der Name der letzten Kaiserin von Österreich ist hinzugekommen, eine Referenz gegenüber Zita Maria delle Grazie Habsburg-Lothringen. Ich müsste mich also mit "Cäsar - Zita" buchstabieren! Dabei war es das erklärte Ziel der von Muhr ernannten "Österreichischen Sprachnormenkommission", dass nur geläufige Vornamen verwendet werden. 


Die Aufnahme von Sarah und David soll wohl als Wiedergutmachung dafür dienen, dass die Nazis in Deutschland bereits 1934 alle Namen eliminiert haben, die aus ihrer Sicht "jüdisch" waren. Dass Namen wie Nathan und Samuel aus dem Alten Testament stammen, das für Juden und Christen in gleicher Weise gilt, haben sie übersehen. 

 

Jetzt übersieht Muhr, dass Sarah und David längst neutrale Modenamen geworden sind; die Wiedergutmachung geht also ins Leere. Wer aller in der Kommission vertreten war, wurde nicht publik. Jedenfalls kam es zu heftigen Diskussionen, ein angesehener Wissenschaftler, dessen Name mir bekannt ist, wollte bei den Spielchen nicht weiter mitmachen und trat unter Protest aus. 


Deutschland setzt neuerdings auf Städtenamen


Wasser auf die Mühlen Muhrs war der Umstand, dass das deutsche Normungsinstitut vor kurzem eine "Deutsche Buchstabiertafel für Wirtschaft und Verwaltung" herausgab, die nur auf deutschen Städtenamen basiert. Dies ist für Muhr ein typisches Beispiel dafür, dass eine im Sprachraum dominante Nation Tatsachen zu schaffen versucht, beziehungsweise auf die Nachbarländer nicht Rücksicht nimmt. Müssen sie auch gar nicht, wir haben unsere eigene Tafel.


Nachfolgend die nach wie vor gültige und halb-offizielle Tafel "Anton, Berta, Cäsar etc.", daneben der Vorschlag Muhrs mit "Anna, Bernhard, Cäsar etc.", wie sie auf dem Internetportal der "Gesellschaft für Österreichisches Deutsch" abrufbar ist.




Die Lehrer an den Handelsschulen und Handelsakademien werden sich fragen, was sie in Zukunft unterrichten sollen. Abgesehen davon wird in Österreich weiterhin jeder so buchstabieren, wie es ihm gerade einfällt.






 
 
 

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2 Comments


Johann Werfring
vor 11 Minuten

Buchstabieren ist heutzutage ohnedies nur noch äußerst selten gefragt. Ruft man mit einem Anliegen irgendwo an, so wird einem sogleich beschieden: "Schreib'n S' mir ein Mail!". Da nützt es überhaupt nichts, wenn ich gegen diese seit einiger Zeit eingerissene Unart des telefonischen Abwimmelns protestiere und geltend mache, dass ich ja gerade eben in der betreffenden Causa anrufe. Die Beamten und Sachbearbeiter lassen sich auf ein fernmündliches Gespräch erst gar nicht ein und haben sich zu wahren Abwimmelungsgroßmeistern gemausert – auf buchstabierte Namen (in welcher Form auch immer) sind sie nicht im Geringsten neugierig…

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erich.wallner
vor 5 Stunden

Zwei Verbesserungen gibt es schon:

Julius und Theodor wurden zweisilbig (Jakob und Tina) und passen so besser ins zweisilbige Basis-System.

Österreich und Ypsilon sind zwei (verzeihliche) Ausnahmen - da gibt es offensichtlich wirklich nichts Besseres.

Wundern tut mich, dass nicht wenigstens die Luftfahrt ein einheitliches System hat für deutschsprachige Lande - die kleinen einmotorigen Maschinen, die lokal unterwegs sind, werden ja nicht alle auf Englisch kommunizieren, oder?

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