Warum es das offizielle Buchstabieren laut ÖNORM nicht mehr gibt
- Robert Sedlaczek
- vor 20 Stunden
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 19 Minuten
Zu meinem Beitrag vom 4. Juni habe ich jetzt eine Antwort von Austrian Standards bekommen. Zur Erinnerung: Der emeritierte Assistenzprofessor Rudolf Muhr hat mit einigen befreundeten Wissenschaftern, deren Namen er nicht bekannt gibt - weil ihm ein oder zwei abgesprungen sind - eine neue Buchstabiertabelle entwickelt. Sie ist angeblich politisch korrekt, weil sie Namen wie David und Sara enthält. Dies solle als Wiedergutmachung dafür verstanden werden, dass die Nationalsozialisten Vornamen wie Nathan aus der Tafel entfernt hatten. Außerdem ist die Zahl der weiblichen Vornamen ein wenig erhöht worden. Stolz verkündete Muhr, dass es nun erstmalig eine österreichische Buchstabiertabelle gäbe.
Stimmt nicht. Es gab die ÖNORM A 1081, die sich damit beschäftigt hat. Mit 15. März 2019 wurde die ÖNORM A 1081 "Richtlinien für die Diktiersprache" allerdings ersatzlos zurückgezogen, weil es in der Kommission einen Streit um das Gendern gab und zu diesem Thema keine Einigung zu erzielen war.
Standards wirken weiter, auch wenn sie ausgelaufen sind
Die Pressesprecherin Mirjana Verena Mully teilte mir dazu mit: "Standards werden spätestens alle fünf Jahre auf ihre Relevanz überprüft. Eine damals erfolgte Umfrage bei den betroffenen Kreisen und Experten ergab keine Resonanz hinsichtlich Marktrelevanz, daher war dieses Dokument ersatzlos zurückzuziehen. Generell wurden alle Standards zum Thema Büroorganisation und schriftliche Kommunikation zurückgezogen."
Aber sie wirken natürlich weiter, auch wenn es sie offiziell nicht mehr gibt. Wer einen kompliziert zu schreibenden Namen hat, wie ich, buchstabiert seinen Namen und seine Mailadresse weiterhin auf Basis der ausgelaufenen ÖNORM. Gleiches gilt für das Buchstabieren bei Diktaten. Und warum plötzlich Bernhard besser sein soll als Berta (in diesem Fall wurde ein weiblicher Vorname durch einen männlichen ersetzt), Felix besser als Friedrich, Hannes besser als Heinrich, wird ohnedies niemand begreifen.
Austrian Standards würde nicht selbst entscheiden, welche Normen entwickelt werden oder welche konkreten Inhalte diese Normen enthalten, sagt Mully. "Stattdessen basiert jede Norm auf einem konkreten Bedarf, der von außen an Austrian Standards herangetragen wird. Eine Norm entsteht also nicht aus Eigeninitiative von uns, sondern ausschließlich dann, wenn ein tatsächliches Interesse oder eine konkrete Anforderung an ein bestimmtes Regelwerk besteht."
Eine Norm habe keinen Selbstzweck. Sie diene immer der Lösung eines praktischen Problems, der Verbesserung von Qualität, Sicherheit oder Verständlichkeit in einem bestimmten Bereich. "Der Standardisierungsprozess ist ein offener, partizipativer Vorgang, bei dem die Inhalte von den betroffenen Experten und Stakeholdern gemeinsam erarbeitet und abgestimmt werden."
Das ist das Schöne an Austrian Standards: Alle Betroffenen können ihre Meinung sagen, alle relevanten Organisationen und sogar Einzelpersonen, im Rahmen einer Internet-Umfrage.
Jetzt, wo eine Einzelperson so tut, wie wenn sie eine neue ÖNORM im Alleingang festgelegt hätte (und das Österreichische Wörterbuch fällt darauf rein und publiziert sie) wäre es an der Zeit, dass Austrian Standards aktiv wird. Es gibt ja offensichtlich einen Regelungsbedarf!
Der Titel hat was???
Sollte nicht heißen: "Warum es das offizielle Buchstabieren laut ÖNORM nicht mehr gibt"?