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Gendern im "Dritten Reich" - Adolf Hitler als Sprachmodernisierer

Die gemäßigten Varianten des Genderns, die Doppelform und das substantivierte Partizip Präsens, wurden schon von Adolf Hitler verwendet - um die Fiktion einer unterschiedslosen "arischen Volksgemeinschaft" herzustellen. 


Darauf hat neulich der angesehene Journalist und Buchautor Matthias Heine in der Tageszeitung "Die Welt" hingewiesen. Er ist Autor einiger hervorragender Bücher zu Sprachthemen, sein Buch "Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis – und wo nicht" ist gerade im Duden-Verlag in einer erweiterten Neuauflage erschienen.


Matthias Heine hat die Anreden in den schriftlich dokumentierten Reden Hitlers analysiert. Mit "Meine lieben Volksgenossen und Volksgenossinnen" leitete Hitler am 15. Juli 1925 in Zwickau seine Rede ein. Diese Anrede verwendete er immer dann, wenn er zu einem Publikum sprach, das nicht aus Mitgliedern der NSDAP bestand. Bei Parteiveranstaltungen gebrauchte er die Anrede: "Nationalsozialisten! Parteigenossen und Parteigenossinnen!" 


Einen ähnlich inklusiven Ansatz hatte laut Heine wohl auch die erstmalige Verwendung des Wortes Studierende im offiziellen Wortschatz des NS-Regimes. Zwar ist Studierende mindestens seit dem 17. Jahrhundert als Synonym zum gängigen Studenten oder zu Studiosi gebräuchlich, und auch Goethe verwendete den Ausdruck. Im Grimm'schen Wörterbuch ist über Studierende zu lesen, es existiere in früherer Zeit "mehr im intellektuellen Bereich, und (sei) in der Anwendung auf engere Kreise beschränkt, doch gilt es häufig als das 'edlere' Wort".


Als an den deutsche Universitäten zwischen 1900 und 1909 erstmals auch Frauen zugelassen waren, änderte sich nichts am Sprachgebrauch. Erst zur NS-Zeit wurde Studierende in der offiziellen Sprache gebraucht, um auszudrücken, dass Frauen und Männer gemeint sind. Es begann 1934 mit der Gründung der "Reichsschaft der Studierenden an den Deutschen Hoch- und Fachschulen". Diese ging zwar zwei Jahre später in der "Reichsstudentenführung" auf, doch wurde die Form Studierende während der NS-Zeit weiterhin in Publikationen wie "Das Reich" und "Völkischer Beobachter" verwendet.


Matthias Heine vermutet, dass auch der vermeintlich moderne Klang die Ausbreitung des Wortes im NS-Sprachgebrauch bewirkt hat. "Die Nazis insbesondere Hitler selbst sahen sich als Modernisierer – auch der Sprache."


Das Gendern mit Sonderzeichen wie Sternchen (Volksgenoss*innen), Doppelpunkt (Volksgenoss:innen), Unterstrich (Volksgenoss_innen) oder dem großen Binnen-I (VolksgenossInnnen) war in der Nazi-Zeit noch nicht erfunden. Wer weiß, wie Hitler reagiert hätte, "wenn damals schon jemand auf diese revolutionäre Idee zum Sprachumbau gekommen wäre", schreibt Heine.


So frappierend die Gemeinsamkeiten auch sein mögen: Ich hielte eine Gleichsetzung von Hitlers Gender-Politik mit den heutigen Initiativen der feministischen Linguistik für eine böse Polemik. Hitler ging es nicht darum, "Frauen sichtbar zu machen", er wollte sie als Teil der "arischen Volksgemeinschaft" für den Aufbau des nationalsozialistischen Systems instrumentalisieren.

 
 
 

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