Kongruenz ist ein wichtiges Element unserer Sprache. Worum es geht, ist einfach erklärt: In einem Satz sollen die einzelnen Teile hinsichtlich ihrer grammatischen Merkmale übereinstimmen, zum Beispiel: „Wir schaffen das!“ © Angela Merkel. In diesem Fall stimmen Subjekt und Verb in den grammatischen Merkmalen überein, und das ist gut so. „Wir schafft das!“ wäre kein regelkonformer deutscher Satz. Es wäre ein Kongruenzfehler, in einer Schularbeit würde der Lehrer den Satz rot anstreichen.
Raiffeisen macht mit genau diesem Kongruenzfehler Werbung: „Wir machts möglich.“ Regelkonform wäre: „Wir machen es möglich“. Die Werbeleute von Raiffeisen erklären wortreich, aber holprig den Sinn des Slogans. „Was einer nicht schafft, das schaffen viele. Das ist die Grundidee einer Genossenschaft und gleichzeitig auch das, was uns antreibt. Dafür ist vor allem eines wichtig – der Zusammenhalt. Dieser entsteht durch Nähe und Beziehungen. Deshalb ist es für uns unverzichtbar, unsere Berührpunkte als Bankunternehmen mit den Menschen – Kund:innen, Mitarbeiter:innen und Partner:innen – als Möglichkeit zu nutzen, dieser Nähe und diesen Beziehungen Raum zu geben. Denn wenn uns dies gelingt, wir uns nahe sind und alle zusammenhalten, schaffen wir alles – und alles wird möglich.“
Aus dem langatmigen Text einen Inhalt herauszufiltern, ist schwierig. Mit gutem Wille könnte man "wir" als Substantivum lesen: "Das Wir macht's möglich." Aber so lautet der Slogan nicht.
Dass Zusammenhalt „durch Nähe und Beziehungen“ entsteht, ist keine sensationelle Neuigkeit.
Dass Raiffeisen dieser Nähe und diesen Beziehungen „Raum geben“ will, ist schön und gut. „Wenn dies gelingt, wird alles möglich.“ Was alles?
Angeblich trägt der Kongruenzfehler dazu bei, dass Raiffeisen schon jetzt als wesentlich moderner eingestuft wird als früher, und dass zusätzliche Jugendliche als neue Kunden gewonnen werden konnten. Wie vielen Menschen es die Haare aufstellt, wurde nicht erhoben.
Das alles erinnert mich an das Kampagnenmotto: „Volksbank. Mit V wie Flügel“. In diesem Fall wurde mit einem Rechtschreibfehler Werbung gemacht: Vlügel. Dadurch wurde laut Aussage der Werbeleute „die Aufbruchstimmung der Volksbank widergespiegelt“. Mit der richtigen Bank gehe alles ein bisschen leichter: „Das Rätsel, wo zukünftige Träume eingefangen und verwirklicht werden können, ist gelüftet.“
Auf zur Volksbank! Dort werden nicht nur gegenwärtige, sondern sogar „zukünftige“ Träume verwirklicht.
Für wie dumm hält man uns eigentlich, dass man uns derartige Slogans zumutet?
Da hat sich Herr Sedlaczek vergaloppiert.
Werbetexter haben mehr Freiheiten - noch dazu in einer Sache, wo sich auch die Germanisten nicht immer einig sind: Jeder Mann und jede Frau weiß / wissen das.
Seine Zähigkeit und Beharrlichkeit setzte / setzten sich durch.
Sowohl der Mann als auch die Frau wurde / wurden verhaftet.
Das "DUDEN-Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle" widmet der Numerus-Kongruenz nicht weniger als 18 Seiten. Wenn man da hineinschnuppert, wird man demütiger und (ver)urteilt nicht so schnell.
Erich Wallner
„„Wir“ macht‘s möglich.“
wäre meiner Ansicht nach korrekt.