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AutorenbildRobert Sedlaczek

Warum ich mir angesichts der Ereignisse im Nahen Osten schwertue, eine Sprachglosse zu schreiben


Der Krieg zwischen Israel und der Hamas ist emotional aufgeladen, darüber zu sprechen oder zu schreiben, die Positionen der Kriegsparteien zu analysieren, zu kommentieren, die propagandistischen Worthülsen zu hinterfragen, ist nicht einfach. Aber ich habe mir vorgenommen, jeden Mittwoch an dieser Stelle etwas zu publizieren, und dieses Vorhaben soll ich nun aufgeben?


Auf focus.online hat sich der deutsche Kommunikationsexperte Michael Ehlers mit einem Thema ausführlich befasst, das ich für hochaktuell halte. Die reißerische Überschrift seines umfänglichen Beitrags lautet: "Wie Sie Israel kritisieren, ohne dabei zum Antisemiten zu werden." Das ist keine Aufforderung, Israel zu kritisieren, es geht darum, wie man es tun kann, wenn man es tun will.


Der Knackpunkt ist: Sagen Sie nicht "die Israeli", wenn Sie "die Regierung Israels" meinen - die Bürger dieses Staates pauschal mit ihrer Regierung gleichzusetzen, ist nicht nur kommunikationstechnisch, sondern auch sachlich falsch. Auch viele Österreicher werden nicht damit einverstanden sein, mit der österreichischen Regierung und ihren Entscheidungen gleichgesetzt zu werden.


Aber während sich in Kriegszeiten in anderen Ländern die Menschen hinter die Regierenden stellen, wird in Israel sehr wohl die Frage diskutiert, inwieweit eine verfehlte Politik des Ministerpräsidenten zur jetzigen Situation beigetragen hat. Dies ist ein Zeichen demokratischer Reife.


"Erkennen Sie an, dass nicht alle israelischen Bürger oder Juden auf der ganzen Welt die Politik des Staates unterstützen oder für sein Handeln verantwortlich sind", schreibt Ehlers. Wer den Staat Israel oder seine Regierung kritisieren möchte, ohne antisemitisch zu werden, solle daher den Blick ganz gezielt auf das Handeln der Regierung und deren Entscheidungen werfen, zum Beispiel auf die Siedlungspolitik.


Das Gesagte gilt in gleicher Weise auch für "die Palästinenser", schreibt Ehlers, ohne es im Detail auszuführen, für jene im Gazastreifen und für jene in der ganzen Welt. Wie kann man glauben, dass alle mit dem Handeln der Hamas einverstanden sind?


"Gaza ist ein Freiluftgefängnis"

"Zurücktreten und die Worte genau abwägen", rät Ehlers. Das ist leichter gesagt, als getan. Im Diskurs will man sich pointiert ausdrücken, will gehört werden. Sahra Wagenknecht hat gerade den Gazastreifen als Freiluftgefängnis bezeichnet. Darf sie das? Sie hat das Wort nicht erfunden, sondern nur aufgegriffen, seriöse Nahostexperten haben es schon viele Jahre zuvor verwendet, um die Lage der Menschen in diesem kleinen Streifen Landes zu charakterisieren.


Ich vermute allerdings, dass nach den Ereignissen vom 7. Oktober das Wort in der westlichen Welt einen anderen Klang hat als früher. Gleich wird es wieder heißen: Wer so redet, rechtfertigt die grausamen Operationen der Hamas. Da hilft nur eines: Überprüfen, in welchem Kontext das Wort verwendet wurde, was diese Person ansonsten vertritt, wie es im Grunde gemeint war. Neben Freiluftgefängnis könnte man noch einige andere Wörter auf die Waagschale legen. Reden wir über terroristische Aktionen der Hamas oder über militärische, sprechen wir von einem Überfall, ist es ein neuer Nahostkrieg oder nur eine Phase im noch immer ungelösten Nahostkonflikt? Impliziert der Ausdruck militärischer Gegenschlag, dass ohne besondere Rücksicht auf zivile Opfer vorgegangen werden darf?


Es liegt im Wesenselement einer Demokratie, dass es unterschiedliche Meinungen gibt und diese in einem Widerstreit zueinander stehen. Dazu gehört auch, dass Meinungen jenseits des Mainstreams erlaubt sein müssen.


Jetzt ist es keine richtige Sprachglosse geworden; aber die lose Aneinanderreihung von Gedanken - ausgelöst durch einen Medienbeitrag - wird vielleicht zum Nachdenken anregen.


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