"Wegen Urlaubs geschlossen!" Oder: "Wegen Urlaub geschlossen?" Eine knifflige Frage.
- Robert Sedlaczek

- 5. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Nov.
"Schau dir das an!" Manfred zeigt auf das Schild im Geschäftseingang. Dort steht: "Wegen Urlaub geschlossen!"
Manfred ist entsetzt. "Deutsche Sprache, schwere Sprache! In der Schule sind wird gedrillt worden: Nach 'wegen' gehört immer der Genitiv. Also: Wegen Urlaubs geschlossen!"
"Der Deutschlehrer hat es gut gemeint. Aber so einfach ist die Sache nicht. Ich erkläre es dir in einem Beitrag meines nächsten Sprachblogs."
o o o
Steht vor dem Substantiv weder ein Artikel noch ein Adjektiv, dann wird bei an sich stark flektierenden Substantiven 1) im Allgemeinen die Kasusendung weggelassen - das Genitiv-s entfällt. Es heißt also:
Wegen Urlaub geschlossen.
Aber wenn du, lieber Manfred, einen ganzen Satz daraus machst und vor dem Wort "Urlaub" ein Artikel oder ein vergleichbares Wort steht, dann ist das Genitiv-s unabdingbar:
Wegen des Urlaubs blieb das Geschäft geschlossen.
Wegen seines wohlverdienten Urlaubs blieb das Geschäft geschlossen.
Es gibt auch noch andere Situationen, in denen der Dativ zum Einsatz kommt und der Genitiv falsch ist. Es geht wieder um stark flektierte Substantive, dieses Mal aber nicht im Singular, sondern im Plural. Der Dativ steht dann, wenn der Genitiv formal nicht zu erkennen ist.
Nehmen wir als Beispiel das Wort Geschäft/Geschäfte.
Einzahl/Singular
1. Fall: das Geschäft
2. Fall: des Geschäft-s
3. Fall: dem Geschäft
4. Fall: den Geschäft
Mehrzahl/Plural
1. Fall: die Geschäft-e
2. Fall: der Geschäft-e
3. Fall: den Geschäft-en
4. Fall: die Geschäft-e
Markant ist also in der Mehrzahl nur die Endung mit -n im 3. Fall, im Dativ. Wenn kein Artikel verwendet wird, sieht der Genitiv, der 2. Fall, genauso aus wie der Nominativ, der 1. Fall: Geschäfte. Deshalb ist der Genitiv inkorrekt, wir spüren das sofort: "Sie ist wegen Geschäfte verreist." Geht nicht. Der Dativ mit der n-Endung ist korrekt:
Sie ist wegen Geschäften verreist.
Steht ein Adjektiv oder der Artikel davor, so kann die Form als Genitiv erkannt werden:
Sie ist wegen dringender Geschäfte verreist.
Der Dativ muss auch stehen, wenn ein sogenanntes Genitivattribut zwischen "wegen" und dem von ihm abhängigen Substantiv tritt. Im folgenden Beispiel lautet das Genitivattribut "unseres Freundes":
Wegen unseres Freundes ältestem Kind musste der Hund zu Hause bleiben.
Sonst aber:
Wegen des ältesten Kindes unseres Freundes musste der Hund zu Hausse bleiben.
Die Gerichtssprache ist ein Sonderfall. Richter, Rechtsanwälte und die gesamte Branche der Juristerei ticken anders, das gilt auch für die Berichterstattung in der Presse:
Er war nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen Diebstahls angeklagt.
Im alltäglichen Sprachgebrauch sagen wir:
Er war nicht nur wegen Mord, sondern auch wegen Diebstahl angeklagt.
Der Spruch "Deutsche Sprache, schwere Sprache" ist gar nicht so falsch.
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1) Die Unterscheidung zwischen starker und schwacher Substantivreflexion ist hauptsächlich für maskuline Substantive von Bedeutung, aber auch für einige neutrale; sie zeigen im Genitiv Singular ein -(e)s, und im Dativ Plural eine Endung wie -en: der Lehrer, des Lehrers, dem Lehrer, den Lehrer; die Lehrer, der Lehrer, den Lehrern, die Lehrer; ein Beispiel für die schwache Reflexion: der Prinz, des Prinzen, dem Prinzen, den Prinzen; die Prinzen, der Prinzen, den Prinzen, die Prinzen.
Über "Wegen Urlaub geschlossen" habe ich mich auch schon gefragt.
Danke für die vertiefte Einsicht!
Ein weiteres Beispiel: Bei Personenschäden, die aufgrund des Unfalls eingetreten sind, haben Sie Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfall oder Erwerbsschaden.